Grundgedanken zur Unternehmensbewertung

Enterprise Value/EBIT statt KGV

Das KGV bezieht die Marktkapitalisierung (den „Kurs“) auf den Nach-Steuer-Gewinn („G“). „Nach Steuern“ sagt schon, wo der Haken ist:

  • Steuern sind von Land zu Land unterschiedlich
  • Steuern können legal abgesenkt werden, z.B. durch Verlustvorträge.
  • Steuern können auch illegal oder an der Grenze zur Legalität kreativ gestaltet werden.
  • Substanz-Auf- und Abschläge (Verschuldung und Cash/Cash-Äquivalente) bleiben unberücksichtigt.

Mit anderen Worten: das KGV spiegelt nicht annähernd und v.a. nicht systematisch die wahre Ertragsstärke eines Unternehmens wider. Also muss eine andere Kennzahl her, die einfach ist, aber dennoch weniger Raum für Manipulation lässt.

Diese Kennzahl ist der Enterprise Value/Ebit-Ratio (EV/EBIT).

Der Unternehmenswert (EV) ist definiert als EV = Marktkapitalisierung + Verbindlichkeiten – Cash-Bestände.

Das EBIT steht für „Earnings before Interest and Taxes“, also den Verdienst vor Zinsen und Steuern, mit anderen Worten: es ist der von Sondereinflüssen befreite wiederkehrende Teil des Betriebsergebnisses, auf dessen Erwirtschaftung sich ein Investor unter bestimmten konstant bleibenden Umständen verlassen darf.

EV/EBIT sagt also, in welcher Beziehung der Unternehmenswert zur wahren Ertragsstärke des Unternehmens steht. Diese Größe sagt nicht alles über ein Unternehmen, aber v.a. bei etablierten Unternehmen sagt sie sehr viel.

Warnzeichen für Unternehmensinteressenten

  1. Geringe Fähigkeit zur Generierung von Zahlungsmitteln (cash flow)
    Bei einem zeitlich unbegrenzt gehaltenen Investment erfolgt die Rückzahlung durch zukünftige Zahlungseingänge. Der Zeithorizont des Investors und die Fähigkeit des Unternehmens, zukünftig Cash zu erzeugen, determinieren den heutigen Wert eines Unternehmens („discounted cash flow“). Fehlt es an dieser Fähigkeit, dann läuft der Investor Gefahr, sein Investment nicht zurückzuerhalten. Allerdings muss klar sein, dass insbesondere bei Wachstumsunternehmen die Fähigkeit zur Cash-Erzeugung anfangs sehr lange entbehrt werden kann. Dann muss ersatzweise eine Fähigkeit angenommen werden, zukünftig vom Verbrennen von Geld zum Erzeugen von Geldströmen überzugehen. Das ist Spekulation, die mit jedem Investment so oder so verbunden ist.
  2. Unzuverlässiges oder unehrliches Management
    Eigentlich muss man nur „Wirecard“ sagen, man kann auch weniger spektakuläre Namen nennen – z.B. Grenke. Wobei auch eingeräumt werden muss, dass Unternehmen sich von Intransparenz und schlechtem Management befreien und einen Neuanfang starten können. Das kann bei Grenke im Gegensatz zu Wirecard unterstellt werden. Im Rahmen eines solchen Neubeginns ist auch Warren Buffett seinerzeit an Coca-Cola-Aktien gelangt, nachdem der Coca-Cola-Board Chairman einem CEO den unternehmerischen Garaus gemacht hatte, die Aktienkurse aber dies nicht reflektiert hatten.
  3. Verzögerte oder nachträglich korrigierte Unternehmensberichte
    Diese Phänomene sind die konkrete Erscheinungsform für ein Management, das intransparent oder unehrlich agiert. Ich denke, das spricht für sich und jeder kennt Beispiele für typische Nebelkerzen, die von Spitzenmanagern von Unternehmen geworfen werden. Grenke war in der Vergangenheit einer dieser Nebelkerzen-Werfer.
  4. Ungünstige Finanzierungsbedingungen
    Eine charakteristische Kennziffer für die Unternehmensbewertung ist der Verschuldungsgrad. Dieser beschreibt das Verhältnis von Fremdkapital-Einsatz zu Eigenkapital. Es gibt hier keine absolute Größe, ab wann ein Verschuldungsgrad kritisch wird. Vielmehr muss beurteilt werden, ob mit dem Fremdkapitaleinsatz profitables Wachstum erzeugt werden kann oder nicht. Dabei muss die Rentabilität des mittels des Fremdkapitaleinsatzes generierten Wachstums größer sein als die Kapitalkosten zuzüglich eines angemessenen Risikoaufschlags. Negativ auffällig ist, wenn eine Firma mit geringem Wachstum Schulden hat. Bei seriösen Unternehmen, die nicht mehr über die Inflationsrate hinaus wachsen, fällt oftmals auf, dass diese komplett schuldenfrei sind und über hohe Barbestände verfügen, mit denen sie ihr operatives Geschäft finanzieren. Als Investment taugen solche Unternehmen mitunter für Rentenzwecke. Im Gegenzug muss man Unternehmen meiden, die die Fremdkapitalkosten nicht einspielen – es sei denn, es sind junge Wachstumsunternehmen, die einfach an Risikokapital gelangen können.
    Man sieht, dieser Faktor muss dynamisch, aber sehr sorgfältig betrachet werden.
  5. Auffällig hohe Forderungen
    Im Verhältnis zum Umsatz sind hohe Forderungen ein enormes Risiko für Unternehmen, da Kunden v.a. in Phasen wirtschaftlicher Unsicherheit tendenziell unsichere Schuldner sind. Außerdem sind Forderungen verbunden mit Kapitaleinsatz. Das Bestreben eines Unternehmens muss sein, die Forderungsquote zu reduzieren. Eine geringe Forderungsquote signalisiert Stärke, weil das Unternehmen in diesem Fall die Zahlungsbedingungen weitgehend diktieren kann. Und umgekehrt: hohe Forderungen signalisieren – v.a. wenn sie nicht mit Umsatzsteigerungen einhergehen – eine Schwäche der Marktposition.
  6. Auffällige Zunahme der Lagerbestände
    Eine besonders „nette“ Methode zur „Verarschung“ von Investoren oder Kapitaleignern ist es, Lagerbestände als Aktiva in der Bilanz aufzuwerten. Damit wird bilanziell das Unternehmen stärker präsentiert als es tatsächlich ist. Hohe Lagerbestände sind im Allgemeinen ein Ausdruck von Schwäche, da das Lager in diesem Falle oftmals nur langsam umgeschlagen wird. Dies deutet auf schlecht verkäufliche Produkte und eine nachlassende Stärke der Marktposition hin. Durch eine hohe Bewertung der Lagerbestände wird so getan, als existiere diese Schwäche nicht. Vorsicht ist geboten. Starke Firmen steigern ihre Lagerbestände langsamer als ihre Verkäufe. Ausnahmen bestätigen die Regel (z.B. bei Firmen, die im richtigen Augenblick im Angesicht von Lieferengpässen ihre Lagerbestände ausbauen).

Fazit

Eine Methode zur quantitativen Bewertung von Unternehmen muss folgende Fragen bewerten:

  • EV/EBIT sollte idelaerweise unter dem Branchendurschnitt liegen. Das gilt aber nur vor dem Hintergrund der Fähigkeit, freien Cashflow zu erzeugen (siehe unten).
  • Verschuldungsgrad vs. Gewinnwachstum sollte idealerweise langsamer wachsen.
  • Free-Cash-Generierung (also wieviel Cash produziert wird, das nicht für die Finanzierung des operativen Betriebs eingesetzt wird).
  • Forderungsentwicklung relativ zu Wachstum der Verkäufe (sollte idealerweise konstant oder negativ sein).
  • Lagerbestände relativ zu Wachstum der Verkäufe (sollte idealerweise konstant oder negativ sein).
  • Ehrlichkeit und Transparenz des Managements.
  • Die ersten drei Punkte gelten nicht unbedingt für Wachstumsunternehmen.
  • Eine Methode, die Teile dieser Logik umsetzt, ist die Levermann-Methode. Diese ist trotz ihrer geringen Präzisision zumindest in Europa in der Vergenangeheit relativ erfolgreich gewesen.

Reflexivität von Märkten

Diese Theorie stammt von George Soros (zumindest kenne ich sie von ihm). Mit einfachen Worten erklären lässt sich diese Theorie folgendermaßen:

  • Jeder weiß, dass die Lage und das Business eines Unternehmens maßgeblich ist für das Interesse von Investoren und Spekulanten und damit für den Aktienkurs.
  • Weniger klar ist, dass auch umgekehrt ein Ursache-Wirkungszusammenhang besteht: der Verlauf eines Aktienkurses beeinflusst das Geschäft des Unternehmens auf Dauer nachhaltig.

Abstrakter formuliert: Märkte verändern sich dadurch, dass Marktteilnehmer sie beobachten. Diejenigen Menschen, die einen Markt für ihre Zwecke als Investoren nutzen, sind gleichzeitig auch Marktteilnehmer. Wenn alle Marktteilnehmer über die gleichen Informationen verfügen, kommen sie zu gleichen Einschätzungen und gleichem Verhalten. In diese Richtung weisen Trends. Dann aber kommt das trendige Marktgeschehen zu einem Stillstand, denn alle Marktteilnehmer sitzen irgendwann auf der gleichen Seite. Das ist aber das Gegenteil von Markt. Der Markt kommt zum Erliegen. Ein Umdenken setzt ein es kommt zu Immobilien– oder Dotcom-Blasen, Tulpenzwiebel-Haussen oder dergleichen. Mit den bekannten Folgen.

Was passiert hier?

Marktteilnehmer beobachten also den Markt und bemerken einen Trend. Auf diesen Trend möchten sie aufspringen, um daran teilzuhaben. Um aber an der Wertentwicklung des vermarkteten Assets teilhaben zu dürfen, müssen andere Marktteilnehmer bereit sein, sich von diesem zu trennen. In einem starken Trend ist das nur zu hohen Preisen möglich. Das treibt den Preis des Assets – was wiederum auf das Interesse von anderen Marktteilnehmern stößt, die ebenfalls teilhaben möchten. Eine Spirale beginnt. Am Ende dieser Entwicklung ist der Preis für ein Asset auf möglicherweise astronomische Höhen angestiegen. Und alle potenziellen Interessenten sind eingedeckt mit diesen Assets. Die Nachfrage kommt zum Stillstand, weil es an Zahlungsfähigkeit und an Bereitschaft fehlt, zu diesen Konditionen noch auf den Zug aufzuspringen.

Auch dieser Zustand wird wieder entdeckt werden – zunächst von einem oder einigen wenigen „Michael Burrys“. Nun dreht sich der Wind und die Kurse beginnen zu fallen.

Der Kontrahenten-Charakter eines Marktes macht ihn selbst-referenzierend, aka „reflexiv“. Wie gezeigt ist das Wesen eines Marktes, dass der Erfolg andere Marktteilnehmer anzieht – und ihn damit in der längeren Frist stoppt. Ein Handelssystem, dass längere Zeit großen Erfolg hat, wird kopiert. Daher funktionieren Systeme nicht, die über das Internet veröffentlicht oder gar verkauft werden. Hätten sie Erfolg, dann werden sie so oft verkauft, dass sich irgendwann nicht mehr genügend Kontrahenten finden, die diesen Erfolg finanzieren. Daher funktioniert auch „social trading“ nicht. Ein eventuell vorhandener Marktvorteil wird über dessen Entdeckung oder Verbreitung „weg-arbitriert“. Eine Information, die von allen Marktteilnehmern wahrgenommen wird, ist in den Märkten wertlos. Reflexivität und Markt-Effizient-Hypothese sind in diesem Augenblick beide wahr. Dies ist oftmals der Fall, manchmal aber auch nicht.

Wenn ein Markt gut funktioniert, dann ist auch das in Einklang mit der Reflexivitätstheorie. Er bietet einem Investor eben nur wenig Vorteil solange das so ist.

Manchmal laufen Märkte „irrational“, das heißt, ein Großteil der Marktbeobachter kann den Anstieg oder den Verfall einer Aktie nicht nachvollziehen, weil sich Wert und Preis deutlich auseinanderbewegen. Das ist in vielen Marktphasen zu beobachten. Man denke nur an die Dotcom-Blase, in der Unternehmen gehypt wurden ohne den geringsten Bezug zu einer Wertanalyse. Und dennoch konnten mit diesen Aktien Gewinne gemacht werden – behalten wurden diese Gewinne aber nur, wenn man an den Wendepunkten erkannt hat, dass die preistreibende Nachfrage zu einem Ende gekommen ist. „Reflexiv“ getrieben war der Preisanstieg bis dahin einfach, weil der Preis anstieg. Warren Buffett nennt dies „den dümmsten Grund, eine Aktie zu kaufen“, aber sei’s drum. Am Wendepunkt steigt der Preis einfach nicht mehr an, weil niemand mehr hinreichend entrückt von der Realität ist, um noch weiteres Geld in wertlos anmutende Anlagen hineinzustecken und damit die Gewinne mitnehmenden Verkäufe zu absorbieren. Der Markt signalisiert die aufziehende Phase der Neubewertung des betreffenden Assets.

Eine „teuflische“ Wirkung der Reflexivität erleben kapitalistische Wirtschaften in Krisen. In der Corona-Krise z.B. stoppten viele deutsche Unternehmen die Auffüllung ihrer Lager, um kein Geld zu binden, das ihre Liquidität angesichts der drohenden Lockdowns usw. negativ beeinflussen würde. Damit wurde zunächst die Krisenfestigkeit erhöht, in dem Cash-Abflüsse reduziert wurden. Auf der Produzentenseite führte dies natürlich zur Gefährdung von Unternehmen und Arbeitsplätzen durch eine Art „Atemstillstand“ bei deren Kunden. Die krisenhafte Markt-Wahrnehmung löste also eine Krise bei den Marktteilnehmern aus, die zuvor nicht vorhanden war.

Nun geschah Folgendes: Unternehmen am anderen Ende der Welt kamen durch staatliche Maßnahmen schnell aus der Corona-Krise heraus und fingen bald wieder an, zu produzieren. Aufgrund der erlebten Lieferengpässe durch zerrissene Lieferketten begannen sie, Aufträge für eine erweiterte Lagerhaltung zu vergeben. Sie wollten nicht mehr in die Lage geraten, aufgrund von leeren Lagern nicht mehr produzieren zu können. Die erlebte Markt-Wahrnehmung führte also zu einer Überkompensation dieser Erlebnisse durch eigenes Marktverhalten. Gleichzeitig etablierten sich neue Lieferketten, von denen z.B. chinesische Unternehmen in besonderem Maß profitierten. Die Auswirkungen auf deutsche Unternehmen waren fatal: ihre defensive Zurückhaltung führte nun dazu, dass sie in der langen Reihe von Einkäufern für Rofstoffe, Halbzeuge und Bauteile am Schluss standen. Die Lager für elektronische Komponenten waren leer und wurden auch nicht – wie gewohnt – zeitnah aufgefüllt. In der Reihe nach vorne zu kommen, war, wenn überhaupt, dann nur über erhebliche Preisaufschläge realisierbar. Die defensive Marktwahrnehmung führte einmal mehr zu einer sich unheilvoll erfüllenden Prophezeiung.

Die Folge: die deutsche Wirtschaft geriet durch Materialknappheit in einen Zustand von partieller Lieferunfähigkeit, was wiederum die Krisenstimmung und die Vorsicht der Unternehmen verstärkte. Zulieferer mussten auf Aufträge warten, weil die Hauptabnehmer ihrerseits nicht lieferfähig waren. Die Krise nährte die Krise nährte die Krise … ein starkes Beispiel, wie Marktwahrnehmung zuerst den Markt und dann die Stimmung der Wirtschaft einer ganzen Nation beeinflusst. Und letztlich auch materielle Tatsachen schafft.

Eine Falle der Aktienanalyse besteht darin, diese nicht vorzunehmen, sondern durch gestanzte Glaubenssätze, Bauchgefühle oder zweidimensionale Statistiken aus der Vergangenheit zu ersetzen. Einen Markt füt „zu teuer“ zu halten, kann dementsprechend ein großer Irrtum sein. „Zu teuer“ bezogen auf was? KGVs von 25 können in einem Nullzinsumfeld billig sein bei Aktien, die kontinuierlich mehr Geld verdienen. In anderen Kontexten ist KGV 25 absurd teuer. Mit anderen Worten: aus solchen Denkfehlern speist sich der Bedarf an Neupositionierung. DIese Denkfehler kann man trefflich zum eigenen Vorteil ausnutzen, wenn man ihn denn rechtzeitig erkennt.

Wer diese Zusammenhänge frühzeitig erkennt, kann sich einen erheblichen Vorteil verschaffen – und umgekehrt. Wer die Rückkopplung eines Marktes auf sich selbst nicht wahrnimmt, wird wichtige Veränderungen zu spät erkennen und sich nicht entsprechend positionieren können.

Außerdem kann man hieran erkennen, wie wichtig Risiko-Management durch Vorhalten von Ressourcen für den Fall ist, dass sich Chancen aus „reflexiver Mitkopplung“ (Spekulationsblasen oder Ausverkäufe eines werthaltigen Assets) eines Marktes ergeben. Warren Buffett suchte zeitlebens nach Investments, in denen er „einen Dollar für 50 Cent“ angeboten bekam. Die Gelegenheiten hierfür sind naturgemäß rar – reflexivitätsbedingt bieten Krisen hierfür herausragende Chancen. Manches Mal liegt die Chance aber auch einfach in einer Wahrnehmung eines Assets durch die Masse der Marktteilnehmer, die nicht auf der Höhe der Zeit ist. Ein Beispiel hierfür war in der Vergangenheit die NVidia-Aktie, die von der Masse (und mir) als Anteil an einem Grafikkarten-Hersteller wahrgenommen wurde; und das zu einem Zeitpunkt, an dem das Unternehmen längst neue Türen in Richtung Virtual Reality, Bitcoin-Mining und AI aufgestoßen hatte. Die Folgen sind bekannt. Wahrnehmung zeitlich vor den anderen Marktteilnehmern ist Wahrnehmung eines „nicht-effizienten Marktes“, aus dem sich herausragende Chancen ergeben.

Nvidia-Monats-Chart: Neubewertung eines Unternehmens im Zuge schrittweisen Erwachens vom Marktteilnehmern

Dieser Ansatz funktioniert nach oben wie nach unten. Das Reflexivitätsmodell dient also kurzum dazu, Märkte zu finden, die also von einer effizienten Funktion weit entfernt sind, in denen ein „Erwachen“ der Markteilnehmer in ihrer Masse also zu einer umfassenden Neubewertung in die eine oder die andere Richtung erfolgt. Er funktioniert auch bei Assets, die in einem „Hype“ verlaufen, dessen sich der „reflexive Trader“ bewusst ist und den er zeitweilig, aber auf keinen Fall bis zu Ende mitgehen möchte.

Andererseits lehrt einen die Theorie von der Reflexivität, sich von verkauften Systemen und „social trading“ fernzuhalten. Wenn man keine Möglichkeit hat, korrekturbedürftige Bewertungen in Märkten systematisch zu erkennen, dann sollte man den Versuch, in diesen Märkten einen Vorteil zu erlangen, eher in Frage stellen. Es ist keine Dummheit, die eigenen Grenzen zu erkennen und sich mit der üblichen Marktrendite zufrieden zu geben. Im Gegenteil: für viele Marktteilnehmer ist selbst diese Rendite auf Dauer ein Erfolg.

Mega-Trend Demografie

Die demografische Entwicklung der Welt zu betrachten, ist ein alter Hut. Aber auch dieser alte Hut ist so wichtig wie eh und je, da Bevölkerungsentwicklung langsam verläuft und daher als Thema nicht schnell inaktuell wird.

Dieser Artikel enthält eine Zusammenfassung zentraler Aussagen der unten angeführten Quellen und meine Schlussfolgerungen hieraus.

Die globale Weltbevölkerung wird weiter anwachsen, jedoch wird sich deren globale Verteilung erheblich verändern. Für das Jahr 2100 werden zwischen 8,8 und 10,9 Mrd. Menschen erwartet. Der bevölkerungsreichste Kontinent wird dann Afrika sein.

Das Durchschnittsalter der Weltbevölkerung wird von heute (2021) ca. 28 Jahren auf ca. 34 Jahre im Jahr 2050 steigen. Das deutet darauf hin, dass bei sinkender Geburtenrate die steigende Lebenserwartung stärker zur Triebkraft des Bevölkerungswachstum wird. Damit einher gehen die Mega-Themen „Alterung der Gesellschaften“ und „Bildung“.

Steigende Lebenserwartung und die damit korrespondiere verbesserte Bildung haben die Wanderung in die Städte im Gepäck. Urbanisierung ist ein mit der globalen demografischen Entwicklung einhergehender Megatrend.

Heutzutage sehr bevölkerungsreiche Regionen werden möglicherweise in absoluten Zahlen erheblich an Bevölkerung verlieren. Die bevölkerungsreichsten Länder der Welt werden im Jahr 2100 Indien, Nigeria, China und die USA sein. Allerdings werden China und die heutzutage noch führenden Industriestaaten in Sachen Bevölkerung erheblich schrumpfen und dabei ein massives Arbeitskräfteproblem bekommen. In Europa zeichnet sich dieses heute bereits ab, in China ist es durch den sozialen Wandel noch nicht in gleichem Maße offensichtlich. Dieser Arbeitskräfte-Mangel wird eine der zentralen Weiterungen des Demografie-Themas, das massive Auswirkungen auf Reichtum, internationalen Einfluss, soziale Sicherheit, namentlich Alterssicherung, Gesundheitsversorgung und dessen Finanzierung sowie Chancen-Gerechtigkeit haben wird.

In demokratischen Staaten wird (ruheständlerisches) Alter über mehr Entscheidungsgewalt verfügen als (arbeitende) Jugend. Das gefährdet den Generationen-Zusammenhalt und birgt eine erhebliche Gefahr für gesellschaftliche Konflikte unbekannten Ausmaßes. Vorboten hierfür sind bereits heute zu erahnen.

Risiken und Chancen

Risiken

  • Konflikte zwischen aufstrebenden und herabgestuften Weltregionen
  • Verteilungskonflikte zwischen Alt und Jung in den alternden Gesellschaften, untergewichtete Abbildung von Arbeit und übergewichtete Abbildung von Alter im demokratischen Prozess.
  • Versorgungsengpässe in weiten Regionen in hochwertigen Dienstleistungen (s. Gesundheitsversorgung in Rumänien heute).
  • Seniorisierung des gesellschaftlichen Klimas in den heutigen Industrienationen.
  • Nachlassende Migration aus aufstrebenden Regionen in Industrieregionen, dadurch wird demografischer Ausgleich fraglich.
  • Einige bevölkerungsreiche Länder der Zukunft haben keine Tradition im Einnehmen einer führenden Rolle. Hat das Konsequenzen? Wenn ja, welche?

Chancen

  • Ausgleich der ungleichen Vermögensverteilung durch Aufwertung von (knapper) Arbeit
  • Nachlassende Migration aus aufstrebenden Regionen in Industrieregionen
  • Zwang zur Produktivitätssteigerung durch Innovation aufgrund geringer werdender Produktivtätspotenziale
  • Rückkehr zur Wert-Preis-Äquivalenz in der Bewertung von Assetklassen
  • Abnehmende Ungleichheit in der Welt
  • Zum Stillstand kommende CO2-Anreicherung in der Atmosphäre

Quellen

Wikipedia Stichwort „Weltbevölkerung“, Stand 09.02.2021

BR Wissen, Artikel 11.11.2020 „Über 7,8 Milliarden Menschen auf der Erde“

Tageeschau.de, Artikel vom 15.07.2020, „Neue Prognose: Weltbevölkerung schrumpft ab 2064“

Die Wachstums-Inflations-Matrix

Ein zentrales Kriterium für die Umfeldbedingungen vomn Aktien ist der Dualismus von wirtschaftlichem Wachstum und Preisentwicklung. Dieser bildet die Basis für die Notenbank- und möglicherweise auch für die Regierungspolitik.

Nach Ray Dalio gibt sich folgende Unterteilung:

Man erkennt vier Quadranten mit folgenden Inhalten:

  • Steigendes Wachstum, fallende Inflation (Q1) – die beste aller Welten; die Geldpolitik ist neutral, das bedeutet, die Notenbank unternimmt nichts zur Steuerung der Liquidität in der Wirtschaft und an den Kapitalmärkten. Statistisch steigen Aktienkurse in dieser Phase am stärksten, da keine andere Anlageform vergleichbare Erträge bringt. Kreditfinanzierung ist einfach, Wirtschaftstätigkeit erfolgt sehr oft mit Kredithebel.
  • Steigendes Wachstum, steigende Inflation (Q2) – inflationärer Boom; die Geldpolitik wird straff, d.h. die Bedingungen für die Benutzung von Kredithebeln für Konsum und Investititionen werden verschlechtert. Aktienerträge sind in der Breite deutlich schlechter als in Q1, aber imm er noch tendenziell positiv.
  • Fallendes Wachstum, fallende Inflation (Q3) – deflationäre Rezession; die Geldpolitik muss gelockert werden (wenn nicht, dann passiert, was inden Jahren 1929 und danach passierte); Aktienpreise fallen, da die Unternehmen wenig verdienen, Überkapazitäten eher Desinvestition begünstigen. Cash und langlaufende Anleihen bester Schuldner sind gefragte Anlageklassen.
  • Fallendes Wachstum, steigende Inflation (Q4) – Stagflation; das „Undenkbare“, das dennoch möglich ist. Ursache sind meist exogene Schocks auf der Angebotsseite, die die Inflation anspringen und das Vertrauen in die Wirtschaft schwinden lassen. Die Geldpolitik ist gefangen in einem Zielkonflikt. Inflationsbekämpfung drosselt die Nachfrage noch weiter. Aktienpreise kollabieren.

Das Bankhaus Metzler hat die mittleren zu erwartenden Aktien- und Bond-Renditen für die unterschiedlichen Marktphasen ermittelt (die Nummerierung der Quadranten unterscheidet sich allerdings von der obigen):

 

 

AnleihenBonds (mittlere absolute Quartals-Performance)

Aktien (mittlere absolute Quartals-Performance)

Q1

1.2%

4.5%

Q2

0.4%

1.7%

Q3

2.0%

-0.1%

Q4

1.7%

-7.2%

To do

Welche Anlagen in welcher Phase? S. obige Grafik

Wie bestimmt man die Phasen methodisch? => Quartalswerte für Wachstum, Inflation und deren zeitliche Ableitungen, denn die Änderungsgeschwindigkeit ist maßgeblich für die Überraschung der Kapitalmärkte und den daraus folgenden Anpassungsbedarf

Wozu dient die Phasen-Klassifizierung? Was braucht man noch für erfolgreichen Handel? => Angst & Gier – Metriken, angst-&gier-getriebene Liquiditätsflüsse, markttechnische Frühindikationen, z.B. relative Stärke/Schwäche von Frontrunner-Branchen

Struktur unseres Wealth-Managements

Die hier besprochenen Assets sind nicht unser hauptsäcliches Vermögen – dieses liegt in unseren Unternehmen und in unseren Altersversorgungen. Um was es beim Wealth-Management an dieser Stelle geht, ist die Verknüpfung von Sicherheit und Wachstum unseres Vermögens.

Sicherheit umfasst hierbei folgende Aspekte:

  • Schutz gegen massive Drawdowns
  • Schutz gegen Inflation und andere geldpolitische Unsicherheitsfaktoren
  • Schutz gegen elementare politische Instabilität
  • Teilabsicherung gegen Untergang anderer Vermögensanteile

Wachstum ist ein weites Feld, das nicht mit Preisanstieg von Aktien alleine abgedeckt wird; vielmehr umfasst es folgende Elemente:

  • Teilhabe am Produktivitätsfortschritt der globalen Wirtschaft
  • Teilhabe an neuen, nachhaltigen Trends und der „kreativen Zerstörung“ alter Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft
  • Erzeugung von echtem Wert anstelle von Selbsttäuschunng durch Preisinflation.

Wir sind davon überzeugt, dass der Kapitalismus bei allen ihn anhaftenden theoretischen Mängeln pragmatisch betrachtet das überlegene Wirtschaftssystem ist. Wir sind aber überzeugt, dass dem Kapitalismus Demokratie zur Seite gestellt werden muss, die diesen kontrolliert und die Früchte der wirtschaftlichen Überlegenheit der gesamten Gesellschaft zugute kommen lässt. Chancengleichheit, Teilhabeversprechen, Rechtsstaatlichkeit, Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und jeglichen menschlichen Lebens sind neben dem Kaptalismus die Grundpfeiler, die diesen überlegen machen.

Daher ist unser Wohlstand und auch dessen Verwaltung gekoppelt an soziale Verantwortung, an Steuerehrlichkeit, an Unterstützung Schwacher und das Bemühen, allen Menschen zur gleichen Chance auf Teilhabe und persönliche Entwicklung zu verhelfen.

Erst danach kommt, dass wir versuchen, unsere Chancen unsererseits zu nutzen. Damit erzeugen wir Mehrwert, der z.T. von der Gesellschaft eingezogen wird und dieser – und damit uns selbst – nützt.

Ansonsten verteilen wir die Geldreserven unseres Vermögens auf

  • Aktien und Aktien-Indizes (40%)
  • Volatlitätsprodukte um Aktien und Anleihen herum (40%)
  • Finanzderivate (Futures, Optionen usw.) (20%)

Die Aktienanlage und die Volatlitätsstrategie konzentrieren sich nach einem Zyklenmodell auf unterschiedliche Unternehmensgrößen, unterschiedliche Branchen und unterschiedliche Weltregionen. Dieses Zyklenmodell berücksichtigt Inflation (resp. Verfügbarkeit von Geld) und wirtschaftliches Wachstum als ein Basiselement der Kursbestimmung.

Überdies handeln wir nach objektivierbaren Metriken für Sentiment und Mittelzu- und abflüsse in die Märkte, so dass wir danach entscheiden, ob wir in einen Markt bleiben oder nicht.

Als drittes Element wählen wir Aktien aus nach den Kriterien Wachstum, Wert und Sondersituationen. Hinter jeder Aktie aber erwarten wir eine Story, die sie nicht als rein quantitativ motiviertes Investment erscheinen lässt. Der Anteil der auf diese Weise gehandelten Aktien wird zyklisch angepasst, da diese Strategie nicht immer Vorteile bietet. Allerdings halten wir immer Listen mit Value- und Wachstumaktien bereit, aus denen wir uns „bedienen“. Deren Verteilung entscheiden wir quantitativ-opportunistisch.

Das vierte Element ist ein technisches. Eine Vielzahl von Anlegern glaubt, dass in der technischen Analyse ein Geheimrezept liegt, um auf einfache Weise billig an anderer Leute Anlagen zu gelangen. Nach unserer festen Überzeugung ist das nicht der Fall. Technische Analyse ohne andere – nicht korrelierende – Argumente bietet auf Dauer keinen Vorteil. In Verbindung damit allerdings sehr wohl.

Kurz zusammengefasst lautet die Gesamtstrategie also:

  • Beurteilung des monetären und wirtschaftlichen Zyklus nach Inflation und Wachstum. Ableitung des „Was“ in der Anlage.
  • Analyse globaler nachhaltiger Trends in Gesellschaft, Wirtschaft, Technik und anderen Bereichen.
  • Beurteilung des Zeitpunktes (Wann?) für Investments nach Angst- und Gier-Metriken für Sentiment, Risikobereitschaft und Geldverteilung. Ab hier ist man mit den vorgenannten Punkten bereits in der Lage, richtige Entscheidungen z.B. durch die Auswahl von ETFs zu fällen.
  • Auswahl geeigneter Aktien u.ä. nach quantitativen und qualitativen Gesichtspunkten. Zusammenstellung von Listen, die die Schwerpunkte aus den vorgenannten Punkten umsetzbar machen.
  • Anwendung einer Volatilitätsstrategie, die mit den vorgenannten Punkten nur sehr wenig korreliert (kleiner 0,5).
  • Anwendung einer Future- und Optionsstrategie, die mit den vorgenannten Punkten nur sehr wenig korreliert (kleiner 0,6).

„Sogar Gott würde gefeuert“

(inspiriert von Andres Cardenal, seekingalpha.com)

Wesley Gray von Alpha Architect hat 2016 einen Artikel veröffentlicht, der zeigt, dass selbst eine unrealistisch optimale Anlagestrategie, eine, die von Gott selbst verwaltet wird, kurzfristig massive Drawdowns erleiden würde. Das bedeutet, dass viele Investoren eine solche Strategie wahrscheinlich aufgeben oder sogar ihren Vermögensverwalter feuern würden.

Der Autor berechnet die 5-Jahres-„Look-Ahead“-Rendite für alle Stammaktien der 500 größten Unternehmen in den wichtigsten US-Märkten. Das Diagramm unten zeigt diese Renditen in 10 Dezilen geordnet. Das niedrigste Dezil generiert eine jährliche Rendite von -15,32 %, und das höchste Dezil erzielt eine beeindruckende jährliche Rendite von 29,37 %.

Quelle: Even God Would Get Fired as an Active Investor

In Kenntnis der besten zukünftigen Renditen („gottähnlicher Vermögensverwalter“), die besten Aktien kaufend, könnte eine durchschnittliche Rendite von 29,37 % p.a. erzielt werden. Super.

Untenstehende Tabelle zeigt allerdings, dass selbst diese Anlage mit Risiken behaftet wäre. Sie zeigt die Drawdowns während unterchiedlicher Perioden, die der Anleger hinzunehmen hätte. Es gibt 10 verschiedene Drawdowns von mehr als 20%, der größte Drawdown beträgt 75,94% und in der Finanzkrise 2008-2009 würde das Portfolio sogar 40,75% verlieren

Quelle: Even God Would Get Fired as an Active Investor

Es darf bezweifelt werden, ob kurzfristig orientierte Anleger in Zeiten mit hohen Drawdowns die Nerven behalten würden. Und dennoch: die Entlassung von Gott als Finanzberater wäre ein schwerer Fehler, da das Portfolio – allen Drawdowns zum Trotz – unrealistisch hohe Rendite erzielen würde.

Man kann das Gedanken-Experiment noch weiter treiben. Was, wenn das Portfolio das beste Dezil der Aktien long und das schlechteste Dezil short wäre? Diese Strategie kann die besten Aktien kaufen und auf die schlechtesten Aktien wetten, und sie hat eine Kristallkugel, die die Zukunft sieht und dem Investmentmanager sagt, welches die besten und schlechtesten Aktien auf dem Markt in den nächsten 5 Jahren sind. Besser kann es buchstäblich nicht mehr werden.

In diesem Fall steigt die jährliche Rendite auf spektakuläre 46,23%. Es besteht jedoch immer noch eine gute Chance, dass Gott auch bei der Verwaltung eines Long-Short-Portfolios gefeuert werden würde.

Das von Gott verwaltete Long-Short-Portfolio hätte über die Jahre immer noch mehrere große Drawdowns von deutlich mehr als 20 %.

Quelle: Even God Would Get Fired as an Active Investor

Nicht nur das, in einigen Jahren würde das ideale Long-Short-Portfolio dem S&P 500 um bis zu 50 Prozentpunkte hinterherhinken. Vermutlich würden viele Anleger das zeitweilige „Verlierer-Stigma“ nicht durchhalten und die Strategie aufgeben.

Der zitierte Artikel kommt zu dem Schluss:

Unser Endergebnis ist, dass eine perfekte Voraussicht große Renditen, aber herzzerreißende Drawdowns mit sich bringt. Mit anderen Worten: Ein aktiver Manager, der hellseherisch begabt wäre (d. h. „Gott“)(1) und im Voraus genau wüsste, welche Aktien langfristig Gewinner und welche Verlierer sein würden, würde wahrscheinlich um ein Vielfaches gefeuert werden, wenn er das Geld anderer Leute verwalten würde.

Die langfristige Sicht

Für die meisten Investoren, wenn Sie über Bargeld verfügen und Zeit haben, ist der Kauf der Dips mit einem langfristigen Horizont wahrscheinlich der beste Weg, um die Rendite zu maximieren, auch wenn dies mit erheblicher Volatilität verbunden ist. Dieses ausgezeichnete Diagramm von Charlie Bilello zeigt die Chancen auf positive Renditen im S&P 500 für verschiedene Halteperioden.

Je länger der Zeithorizont ist, desto höher sind die Chancen auf positive Renditen. Die Zeit ist hier eindeutig auf unserer Seite, insbesondere wenn wir qualitativ hochwertige Aktien besitzen.

Noch wichtiger ist, dass die Aktien mit der besten Performance am Markt in der Regel auch die volatilsten sind. Wenn Sie langfristig überdurchschnittliche Renditen erzielen wollen, dann müssen Sie bereit sein, kurzfristig enorme Volatilität zu tolerieren. Daran führt kein Weg vorbei.

Das Buch mit dem Titel 100 Baggers: Stocks That Return 100-to-1 and How To Find Them, von Christopher Mayer kann eine enorm wertvolle Ressource sein, um zu verstehen, wie das funktioniert.

Das Buch befasst sich im Wesentlichen mit den Aktien, die auf lange Sicht die größten Gewinne durch eine 100-fache Multiplikation erzielt haben. Unnötig zu sagen, dass eine einzige Aktie mit dieser Art von Rendite Ihr Leben finanziell verändern kann.

Wenn man sich jedoch die Aktien ansieht, die diese Renditen in der Vergangenheit tatsächlich geliefert haben, hatten alle von ihnen massive Drawdowns auf ihrem Weg. Alle sind irgendwann um 50% oder mehr gefallen, und in einigen Fällen sogar noch viel mehr.

Der Artikel mit dem Titel „The Agony of High Returns“ von Morgan Housel betrachtet die größten Gewinner am Markt von 1995 bis 2015 und kommt zu demselben Ergebnis.

Es ist schwer zu begreifen, wie die beste Aktie der letzten 20 Jahre den Großteil dieser Zeit mit Renditen verbringen konnte, bei denen man sich übergeben müsste. Es ist einfach zu denken, dass die beste Einzelinvestition, die man besitzen kann, eine ist, die uns jeden Morgen beim Aufwachen ein Lächeln ins Gesicht zaubern würde.

Aber das war es nicht. Das war es nie. Und das wird es auch nie sein. Das ist die Natur des Aktienmarktes. Auf dem Weg, ernsthaft Geld zu verdienen, verbringt man eine Menge Zeit damit, ernsthaft Geld zu verlieren. Das ist eine Realität, der sich jeder stellen muss, der in Aktien investiert, ganz gleich, was man besitzt.

Ich habe mir die 10 besten Aktien der letzten 20 Jahre angesehen. Diese wurden aufgrund ihrer hervorragenden Renditen ausgewählt und sind die Aktien, die Sie wahrscheinlich wählen würden, wenn Sie eine Zeitmaschine hätten. Im Durchschnitt sind sie um mehr als 28.000% gestiegen.

Aber sie alle verbrachten die meiste Zeit weit unter ihrem vorherigen Höchststand. Sie alle hatten mehrere Rückgänge von 50% oder mehr. Einige hatten mehrfache Rückgänge von 70%.

Wenn man 10- oder 100-Bagger-Aktien kauft, dann sollte man das nur mit einem Teil des Vermögens machen, dessen Schwankungen man ertragen kann. Aktien mit extremen Wachstumsaussichten sollten nur ein Teil eines stärker diversifizierten Portfolios sein, das Aktien, ETFs und konservativen Einsatz von Derivaten mit geringer Korrelation enthält.

Es gibt nicht die eine richtige Strategie für alle, der Schlüssel liegt darin, die richtige Strategie basierend auf den eigenen Bedürfnissen zu finden.

Der Punkt ist jedoch, dass kurzfristige Volatilität nicht gefürchtet, sondern sogar umarmt werden sollte. Wenn Sie einen langfristigen Horizont von 3 bis 5 Jahren haben und über das nötige Kapital verfügen, um bei Kurseinbrüchen zu kaufen, sind kurzfristige Rückgänge bei hochwertigen Aktien tatsächlich Kaufgelegenheiten, um Gewinne in der Zukunft zu maximieren.

Investieren auf lange Sicht

Aktienanlage ist selbst bei der besten Strategie von Zeit zu Zeit der Gefahr der Underperformance und von ausgedehnten Drawdowns ausgesetzt. Das muss zunächst einfach akzeptiert werden. Weitere Perfomance-Steigerungen bei Anlagen in guten Assets sind möglich, wenn Drawdowns reduziert werden. Das erfordert aber Mittel und Methoden, die außerhalb der Aktienauswahl liegen.

Verfügt man nicht über diese Methoden, dann wird man auch bei Inkaufnahme der Drawdowns unterm Strich sehr gute Renditen erhalten. Ist man weder zu Geduld noch zur Reduktion der Drawdowns in der Lage, dann können überdurchschnittliche Renditen nicht erwartet und beansprucht werden.

„Atomic habits“

Besprechung von James Clear, „Atomic Habits – Tiny Changes, Remarkable Results“

Durch einen Tipp auf einem Webinar bin ich auf dieses Buch aufmerksam geworden. Es eines dieser unzähligen Bücher zur „Persönlichkeitsoptimierung“, von denen ich im Allgemeinen glaube, dass sie die Genialität der Menschheit per Saldo nicht verbessert haben. Dennoch möchte ich bei diesem Buch einen Unterschied machen.

Gewohnheiten sind automatisierte Verhaltensweisen, ohne die wir lebensunfähig wären. Die meisten unserer Gewohnheiten müssen irgendwie sinnvoll sein, ansonsten wären wir genau das: lebensunfähig. Jeder weiß jedoch, dass dies keineswegs für alle Gewohnheiten gilt. Alle mir bekannten Bücher über Perönlichkeitsentwicklung befassen sich mit der Frage, wie man automatisiertes Denken und Handeln zum eigenen Nutzen verändern kann, wie man also z.B. unliebsame Gewohnheiten, Arten, „die Welt“ zu sehen, sich das Leben schwer zu machen usw. verändern kann. Das Gros der Literatur setzt hierbei bei der Richtung an, in die man blickt oder läuft. Dies ist bei diesem Buch anders: es setzt an an der Frage, wie man läuft. Es fokussiert auf die Bewegung, nicht auf das Ziel. Der Gedanke dahinter: „Verlierer“ und „Gewinner“ verfolgen die gleichen Ziele, also können diese nicht den Unterschied machen. Guter Gedanke!

Der Unterschied liegt nach Meinung des Autors darin, wie wir den Weg zum Ziel bestreiten. Dabei arbeitet er drei Handlungsebenen heraus: das Resultat, den Prozess und die persönliche Identität hinter dem Prozess. Es fühlt sich anders an, zu sagen „ich laufe“ (Prozess) oder „ich bin ein Läufer“ (Identität).

Eine Identität entwickelt man durch Gewohnheiten. Gewohnheiten können Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsgewohnheiten sein. Irgendein Mensch hat mal gesagt: „Du kannst von Dir denken, was Du möchtest, Du wirst immer Recht behalten.“ Will sagen: die persönliche Identität entscheidet, ob man etwas zur Gewohnheit werden lässt oder ob man wieder ablässt. Es geht nicht um das Verhalten, sondern den Antrieb dahinter. An diesen muss herankommen, möchte man Gewohnheiten verändern. Der Autor betont, dass es oftmals nur sehr geringe Änderungen sind, die den Unterschied machen.

Gewohnheiten laufen nach einer Folge ab:

  • Auslösereiz
  • Verlangen
  • Reaktion
  • Belohnung

Für die Etablierung gewünschter Gewohnheiten bedarf es also Kopplung von gewünschtem Verhalten an einen Auslösereiz. Umkehrt muss man sich bei der Umgestaltung unnützer Gewohnheitenan den Punkt der Auslösung dieser Gewohnheit gelangen, um noch eine Wahl zu haben.

Gewohnheiten entwickeln sich in vier Phasen:

  • Unbewusstheit
  • Bewusste Wahrnehmung des Auslösereizes und des Folgeverhaltens
  • Bewusste Änderung des Verhaltens nach dem Auslösereiz
  • Unbewusstes Verhalten als Reaktion auf einen Auslösereiz

Die Unbewusstheit ist also der Ausgangs- und der Endpunkt der Veränderung. Sie bedeutet Eleganz und niedrigen Energieaufwand. Man weiß dann nicht mehr, warum man bei Radfahren nicht mehr hinfällt. Gleichgewichthalten ist einfacher geworden als es nicht zu halten.

Um an Auslösereize heranzukommen, schlägt der Autor eine Scorecard vor, in der die Gewohnheiten aufgeschrieben und bewertet werden: gut (+), neutral(=) und schlecht (-). Dann kann man sich die Reaktionen bewusst machen, die man nicht haben muss.

Sind diese Gewohnheiten mitsamt ihrer Auslösereize bewusst, dann möchte man sie verändern. Möchte man völlig neue Gewohnheiten im eigenen Repertoire verankern, dann muss man zunächst Auslösereize willkürlich schaffen. Hierzu bietet James Clear zwei Möglichkeiten an:

  1. Die Realisierungsintention, ein Termin mit sich selbst. Man formuliert autosuggestiv: „ich werde um <ZEITANGABE> in <ORT> <VERHALTEN“.
    • Beispiel: „ich werde zum Piepen meiner Armbanduhr zur vollen Stunde aufstehen und ein Glas mit 0,3 l Wasser einfüllen und trinken.“
  2. Die Gewohnheitskopplung – Autosuggestion: „Nachdem ich <ALTE GEWOHNHEIT>, werde ich <NEUE GEWOHNHEIT>.“
    • Bestehende Gewohnheiten werden zum Auslösereiz für neue Verhaltensweisen, die durch Wiederholung zur Gewohnheit werden.
    • Beispiel: „Wenn ich eine Treppe sehe, dann nutze ich die Gelegenheit und gehe diese Treppe zu Fuß.“
    • Beispiel: „Wenn das Telefon klingelt, atme ich tief durch und lächle, bevor ich den Hörer abnehme.“
  3. Umfeldanpassung: von Supermärkten kennt man, dass hochpreisige Waren in Augenhöhe platziert werden. Der Gedanken dahinter lässt sich für eigene Zwecke nützlich machen. Eine gute Idee dabei ist, jeder Tätigkeit einen Ort zuzuordnen, also etwa am Esstisch nur zu essen, auf dem Sofa keine Emails zu beantworten und auf dem Notebook kein Social-Networking zu betreiben. Damit können Lebensbereiche getrennt und z.B. bei der Arbeit ein Ende gefunden werden. Auf diese Weise werden Umfelder und örtlich-räumliche Kontexte zu Auslösereizen.

… Fortsetzung folgt …

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